Dieser Versicherungstyp, welcher Arbeitnehmern und selbstständig Tätigen eine monatliche Rente im Falle einer Berufungsunfähigkeit gewährt (BU), hat für den Versicherten oftmals existenzielle Bedeutung, vor allem, wenn sonstige unterhaltssichernde Leistungen von dritter, insb. staatlicher Seite fehlen bzw. zu gering ausfallen.
Der Abschluss eines derartigen Schutzes ist daher in der Bevölkerung sehr verbreitet, vielfach in der Form einer Ergänzung zu einer (Kapital-)Lebensversicherung, dann Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) genannt.
Die auf dem Markt existierenden Bedingungen variieren dabei in wichtigen Details erheblich. Insofern ist vom Versicherungsnehmer auch besondere Sorgfalt beim Durchlesen der Bedingungen und dem Ausfüllen des Antrags geboten.
Grundlage der BUV: Korrekte Angaben zum Gesundheitszustand
Dies beginnt schon bei der pflichtgemäßen und vollständigen Beantwortung der Fragen zum gesundheitlichen Zustand des Versicherten. Wie auch bei anderen Personenversicherungen, wie z.B. der Unfall-, Lebens- oder Krankheitskostenversicherung, führen Fehler hierbei oftmals zum Verlust des Versicherungsschutzes.
Diese treten dabei zumeist erst im Leistungsfall zutage und können den Versicherer zu einer Kündigung oder sogar Anfechtung des Vertrages und zur Leistungsverweigerung berechtigen.
Sofern der Versicherungsnehmer (VN) die Fragen nicht selbst beantwortet, sondern ihm diese von einem Versicherungsvertreter vorgelesen und nach dessen Antworten ausgefüllt werden, reicht die falsche Beantwortung der Fragen im Formular an sich noch nicht aus. Der VN muss in diesem Fall jedoch detailliert darlegen, dass er den Vertreter zutreffend mündlich unterrichtet hat bzw. ihm von diesem einzelne Fragen gar nicht gestellt wurden (vgl. BGH VersR 2004, 1297; OLG Köln VersR 2013, 487).
Kann er dies, so obliegt es dem Versicherer zu beweisen, dass alle im Formular beantworteten Fragen dem VN tatsächlich so gestellt und wie niedergelegt von diesem beantwortet worden sind.
Etwas anderes gilt jedoch, wenn der den Vertrag Vermittelnde nicht von dem Versicherer als dessen Angestellter oder als Selbstständiger mit der Vermittlung von Verträgen betraut worden ist (vgl. BGH VersR 2008, 242; VersR 1999, 1481), sondern Versicherungsmakler war. In diesem Fall handelt er als Vertreter des VN und dieser muss sich daher dessen Fehler zurechnen lassen (vgl. OLG Köln BeckRS 2012, 13251).
Damit der Versicherer im Fall einer nachgewiesenen Falschbeantwortung den Vertrag anfechten kann, müssen die falschen Antworten gefahrerhebliche Umstände betreffen.
Gefahrerheblich sind nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) die Umstände, die bei der Entscheidung des Versicherers zum Abschluss des Vertrags von Einfluss sein können. Erfragte Umstände sind dabei im Zweifel stets gefahrerheblich.
Dies gilt allerdings nicht, wenn es sich um eine Gesundheitsstörung handelt, die offenkundig als leicht einzuordnen ist, nicht wiederholt aufgetreten ist und deshalb von vornherein keinen Anhalt dafür bietet, dass sie für die Risikoeinschätzung des Versicherers hinsichtlich des auf Dauer angelegten Versicherungsvertrags von Bedeutung sein könnte (vgl. BGH VersR 2009, 529).
Offensichtlich gefahrerhebliche Umstände sind demgegenüber psychische Erkrankungen wie Depression (vgl. OLG Saarbrücken r+s 2000, 432; OLG Köln siehe schon oben), behandlungsbedürftiger Bluthochdruck bei einem Personenschützer (vgl. OLG Köln BeckRS 2011, 25978), Wirbelsäulenerkrankungen (vgl. BGH VersR 2010, 97), sowie Multiple Sklerose, selbst wenn bei Versicherungsschluss noch vollständige Arbeitsfähigkeit bestand (vgl. LG Heidelberg ZFS 2017, 275).
Voraussetzungen für den Leistungsfall
Der Leistungsfall (Versicherungsfall) wird in den geläufigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) relativ einheitlich definiert, wonach die versicherte Person aus gesundheitlichen Gründen mindestens zu 50 % außerstande sein muss, ihrem zuletzt bei Eintritt des Versicherungsfalles ausgeübten Beruf nachzugehen oder diese wird berufsunfähig infolge Pflegebedürftigkeit, …
Danach folgt aber der entscheidende Zusatz, … und außerstande ist, eine andere Tätigkeit auszuüben, zu der sie aufgrund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht (sog. abstrakte Verweisung).
oder
… und auch keine andere Tätigkeit ausübt, die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht (sog. konkrete Verweisung).
Im ersten Fall muss der Versicherer dem Versicherten einen nach Fähigkeiten, Kenntnis und Lebensstatus und damit auch dem Gehalt vergleichbaren Beruf aufzeigen, welchen dieser trotz der gesundheitlichen Einschränkungen noch ausüben könnte. Dabei ist es nicht erforderlich, dass zum Zeitpunkt der Verweisung überhaupt in der Region des Versicherten entsprechende Arbeitsplätze in diesem Beruf vorhanden sind.
Auch führt die Frage der Vergleichbarkeit und der Verhältnismäßigkeit dieses Berufes oftmals zu Unsicherheiten und gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Im zweiten Fall kommt es nur dann nicht zu einer Leistungspflicht bzw. entfällt diese, wenn der Versicherte eine andere ihm zumutbare und im Übrigen vergleichbare Tätigkeit tatsächlich aufgenommen hat.
In der Praxis existieren aber auch Verträge, welche für den Leistungsfall überhaupt auf eine Verweisung verzichten, es fehlt dann also der zweite Satzteil.
In diesem Fall ist sogar die unmittelbar zeitlich anschließende Aufnahme einer anderen beruflichen Tätigkeit für den Leistungsanspruch aus der Versicherung unschädlich.
Übt der Versicherte mehrere Tätigkeiten aus, so soll es bei der Bestimmung des „Hauptberufs“ darauf ankommen, ob dieser für seine Lebensstellung von erheblicher Bedeutung sei. Die Erzielung weiterer Einkünfte aus Vermögen, wie z.B. aus vermieteten Immobilien, stellt grundsätzlich keine Berufsausübung dar, so kürzlich das Oberelandesgericht (OLG) Saarbrücken im Fall eines freiberuflich tätigen Tennislehrers (vgl. OLG Saarbrücken VersR 2020, 678). Etwas anderes könne ausnahmsweise gelten, wenn deren Umfang einen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordert.
Das Nachprüfungsverfahren
Auch nachdem der Versicherer den Leistungsanspruch unbefristet bestätigt hat und fortlaufend Leistungen erbringt, behält hat er das Recht, im Rahmen eines sog. Nachprüfungsverfahrens festzustellen, ob die Voraussetzungen der Berufungsfähigkeit weiterhin gegeben sind.
Dessen Ausgestaltung und Rechtsfolgen müssen in den AVB im einzeln geregelt sein.
Eine Änderung kann sich sowohl auf nachträgliche Veränderungen im Hinblick auf die gesundheitlichen wie auch die beruflichen Verhältnisse des Versicherten ergeben haben.
So sind hinsichtlich der Ausübung einer anderen beruflichen Tätigkeit auch neu erworbene berufliche Fähigkeiten zu berücksichtigen, wenn die AVB dies vorsehen.
Allerdings stets dies unter der weiteren Voraussetzung, dass der Versicherer von seinem Recht zur Leistungseinstellung erst dann Gebrauch machen darf, wenn der Versicherte einen Arbeitsplatz in einem Vergleichsberuf erlangt hat oder sich um einen solchen nicht (bzw. nicht mehr) in zumutbarer Weise bemüht (vgl. BGH VersR 2000, 171).
Auch hat das OLG Köln in einer aktuellen, noch nicht rechtskräftigen Entscheidung angenommen, dass eine Regelung in den AVB, nach welcher der Versicherer den Versicherten für den Fall der Berufsunfähigkeit im bisher ausgeübten Beruf erstmals im Nachprüfungsverfahren auf andere ausgeübte Tätigkeit (konkret) verweisen kann, die er zu übernehmen auf Grund seiner Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist, wegen Unklarheit gegen das Transparenzgebot verstößt und daher unwirksam ist (vgl. OLG Köln BeckRS 2020, 3549).
Stand: 10.07.2020